Dann gibt es von mir doch gerne eine konstruktive Antwort - wird übrigens etwas länger...
Wie soll man generell ein Spiel bewerten? Wonach soll man gehen? Warum werden Indie-Spiele nicht nach den gleichen Kriterien bewertet, wie ein Vollpreis-Spiel? Was genau sind die Punkte, nach denen man sich richten soll? Ja, es gibt die Konstanten: Grafik, Technik, Story, Gameplay. Und sonst? Aber sind das wirklich Konstanten? Wie soll ich z.B. die Grafik denn eigentlich bewerten? Soll ich sie mit Crysis vergleichen? Dann wäre - auf gut deutsch und ehrlich - das Resultat für MW2 ganz einfach: Scheisse. Und für jedes andere Spiel auch - bis auf vielleicht Killzone 2 und Uncharted 2.
Das so etwas nicht passiert, gibt es die
Erwartungshaltung. Die kann von Spiel zu Spiel variieren. Und das Pech von MW2 ist, dass es nicht nur der Nachfolger von MW ist, sondern dass es von den Entwicklern gnadenlos gehypt worden ist. Man hat sich nicht damit zufriedengegeben, einen genialen und tollen Shooter zu erschaffen. Man wollte das Genre neu definieren, man wollte alles und jeden mitreissen. Und damit hat man die Preiserhöhung auf 60 Euro gerechtfertigt, die einfach nur eine Farce ist. Jedes Wort, dass die Entwickler und Beteiligten gesagt haben, hat nur einen Konstante gekannt: "Das Ding wird super!"
Und wenn man so etwas sagt, dann
wird man als Spieletester mit einem anderen Blickwinkel an die Sache herangehen. Selbst als Nachfolger von MW enttäuscht MW2 teilweise - manchmal sogar extrem. Es ist keine Weiterentwicklung vorhanden, viele Dinge sind sogar schlechter geworden. Ich nenne mal drei Beispiele:
- Der Beginn - sowohl das Tutorial als auch die erste Mission waren in MW besser.
- Es gibt keine Mission, die an die Wucht der Sniper-Mission rund um Prypiart herankomt.
- Es gibt keine Szene in MW2, die so schockt, so mitreisst wie die Explosion der Atombombe in MW.
Man kann nicht andauernd Dinge versprechen und Erwartungen aufbauen, am Ende aber knallhart 90 Prozent dieser Erwartungen um Längen verfehlen. Man muss sie halten.
Und genau daher kommt meine Kritik - die übrigens ausnahmslos von
allen anderen Spielezeitschriften geteilt wird: Die erste Hälfte des Spiels enttäuscht. Sie enttäuscht neben den Versprechungen; sie enttäuscht sogar als reiner Nachfolger von MW. Und das habe ich dargelegt. Und da, wo es endlich besser wird - ab dem Kampf ums Weiße Haus - gibt es sehr wohl sehr viel Lob. Oder was will man neben den Wörtern, "Legendär", "Episch", "Hollywoodreif" und "Genial" denn noch an Lobpreisungen abgeben? Mehr geht im Spiel nicht - und das wird auch fair gewürdigt.
Und das das Spiel mit diesen Mankos am Ende
nicht den abartig hohen Erwartungen gerecht werden kann, habe ich erklärt. Es ist einfach so. Nichtsdestotrotz hat es seine vielen tollen und masenhaft immer noch sehr guten Stellen. Und auch im Fazit steht ganz klar drin, dass dieser Test deshalb so kritisch ist, weil die Erwartungen so hoch sind. Dass das Spiel trotzdem großartig ist, steht sowohl in der Einleitung als auch sonstwo - nur dass es neben den Erwartungen, die von den Machern geschürt wurden, enttäuscht.
Zu guter Letzt auch noch etwas zum Thema "Spieletester": Man kann einen seelenlosen Test schreiben, am Ende mehr oder weniger "Toll mit ein paar Abstrichen" vor sich hinmurmeln - und dann die Klappe halten. Und das tut die Gamestar, die PCGames und eigentlich fast jede andere Seite. Und dazu muss ich keinen Test schreiben. Warum auch? Alles ist dann schon gesagt, geschrieben und totgetippt.
Aber eigentlich ist ein Test immer zutiefst subjetiv. Jeder Test ist eine subjektive Einschätzung. Jeder Test. Der eine ist von der Mission hin und weg, der andere gähnt nur gelangweilt. Und allein deshalb kann ein Test niemals objektiv sein.
Und mal ehrlich: Ich habe viel kritisiert, ja. Aber auch viel gelobt. Zumindest spricht man ja mal nicht so locker über den "Besten Shooter des Jahres"
Zum unseligen Thema Flughafen-Mission: Nein, man kann eigentlich keine offenere Meinung haben. Ich könnte sie dann vergeben, vergessen und akkzeptieren, wenn sie logisch wäre. Ist sie aber nicht. Mal kurz zusammengefasst:
- Soldaten sind keine Undercover-Agenten.
- Selbst wenn doch, dann dauert es Jahre, den Agenten einzuschleusen. Im Spiel passiert das in zwei oder drei Tagen. Mit Sprachproblemen etc. fange ich schon gar nicht an...
- Würde ein Agent ein solches Massaker zulassen? Warum unternimmt er nichts dagegen?
- An Flughäfen gibt es Kameras. Und schon allein deshalb ist die ganze Begründung des Spiels - die Russen glauben, dass ein Amerikaner in solches Massaker angerichtet hat - für den russischen Angriff hinfällig.
Die ganze Mission ist schlecht inszeniert - technisch wie von der Einbindung in die Story - logisch ein Witz und moralisch eine Katastrophe. Eine Einschätzung, die eigentlich jedes der von dir genannten Magazine vertritt. Und deshalb habe ich sie kritisiert - sie vermittelt weder das Grauen, dass so eine Tat auslöst; sie lässt uns weder den Schock noch die Panik miterleben. Wenn man sie durch die Augen der Opfer gesehen hätte - dann, ja nur dann wäre sie positiv, lobenswert und genial gewesen. Aber daran hat man nicht gedacht.
Und es hätte schon gereicht, den Spieler in die Rolle eines Polizisten zu stecken, der verzweifelt versucht, die Zivillisten zu beschützen - und der dabei versagt. Es hätte locker gereicht, wäre viel intensiver gewesen und hätte alles viel logischer, offener und auch emotionaler gemacht.
Am Ende noch etwas: Natürlich hast du nicht unrecht, dass ich ab und an etwas mehr kritisiert habe, als es unbedingt nötig gewesen wäre. Aber - wie gesagt - im Rahmen der Erwartungshaltung ist das locker vertretbar.