Inhaltsverzeichnis
Kapitel I - Für die Lebenden
Kapitel II - Die Stimme der Klinge
Kapitel 1 - Für die Lebenden “Glaub mir - da draußen ist jede Grausamkeit, die du dir ausmalen kannst bereits Menschen widerfahren. Das ist kein Spiel, das macht keinen Spaß.”, sagte der Templer mit einem eisigen Blick.
“Das weiß ich alles bereits. Doch ich möchte es nicht mehr nur erzählt bekommen, ich möchte es sehen!”, erwiderte der junge Mann, der dem Templer gegenüberstand. Gegen die gewaltige, leuchtende Rüstung sah der Junge klein, ja nahezu hilflos aus.
“Trainiere deine Kampffertigkeiten. Du wirst meine Worte erst verstehen, wenn du gekämpft hast. Doch du bist noch nicht schnell genug. Du musst entschlossen sein. Und du bist nicht entschlossen. Keine einzige Geste an dir spricht jene Entschlossenheit, die ein Templer braucht, um gegen die Dämonenbrut zu kämpfen!”, wies ihn der Templer zurecht.
“Aber…”, erwiderte der Junge als er bereits vom ermahnenden Blick des Templers getroffen wurde.
“…verzeiht, ich weiß, dass ich eure Erfahrung zu achten habe. Vergebt mir meinen Mangel an Respekt.” und mit einer tiefen Verbeugung und gesenktem Blick verließ der Junge den Raum.
Ja, Meister Halifax ist streng, doch bestimmt hat er recht. Ich bin einfach noch nicht gut genug. Obwohl ich doch nun schon von Kindesbeinen an den Umgang mit dem Schwert trainiere. Ich verstehe das alles nicht. Brauchen wir nicht jeden der kämpfen kann an der Front? An den unzähligen Fronten, an denen wir zu kämpfen haben?
Jäh wurde der Junge aus seinen Gedanken gerissen, als er ein Geräusch unmittelbar hinter sich
vernahm. Er fuhr herum, doch da war nichts. Trotzdem schien irgendwas in der Luft zu liegen. Der schlecht beleuchtete Tunnel von den Templerquartieren zur Station schien irreal. Plötzlich war er sich sicher Verwesung, ja verbrennendes, totes Fleisch zu riechen. Alle seine Sinne waren nun bis zum Anschlag geschärft um auch den kleinsten Hauch der auf die gefühlte Gefahr hinwies zu erhaschen. Doch da war nichts. Er starrte ins Zwielicht der Neonröhren im Tunnel, doch nirgends bewegte sich etwas. Wie gelähmt stand er im Gang und horchte, fühlte, schmeckte, roch und starrte. Er war sich sicher, dass der Geruch allmählich intensiver wurde. Es war eine elektrisierende Spannung, die sich in jenem Gang aufzubauen schien. Er tastete nach seinem Schwert, dass er als Templerknappe immer bei sich tragen musste. Seine Hand fasste den Griff und blieb geübt und ruhig darauf ruhen. Er hatte weder Rüstung noch Schild. Wenn jetzt tatsächlich etwas passieren sollte, dann war er nur auf seine Waffe angewiesen. Die Spannung in ihm steig ins unermessliche. Seine Hand krampfte nun um den Schwertgriff, obwohl er sich zwang, sich zu entspannen. Er fuhr zusammen, als er ein Knistern vernahm. Es klang, als würde der Tunnel elektrisiert. Aber er war sich nicht mehr sicher, ob dies seine innere Anspannung oder real war. Urplötzlich und wie aus dem nichts erschein ein Wesen vor ihm, dass zunächst allem Leben widersprach, was er in seinen jungen Jahren bereits gesehen hatte. Es schwebte über dem Boden und erfüllte den Raum mit einem dumpfen Klang, der sich tief in seinen Schädel bohrte. Es hatte Tentakeln, mit welchen es über den Boden zu streichen schien. Irritiert von dem widernatürlichem Anblick betrachtete er das Spektakel noch etwas, als das elektrische Knistern zu einem Rauschen, ja Knallen anschwoll und Blitze zwischen den Tentakeln des Wesens und dem Boden zu zucken begannen. Augenblicklich begriff er, wenn auch reichlich spät, was hier vor sich ging. Dies musste ein Spektraldämon sein. Es schien einen Angriff auf ihn vorzubereiten und wenn er sich noch einen weiteren Bruchteil einer Sekunde Zeit ließ, würde er gegrillt werden. Ohne das er sich wirklich dessen bewusst war schnellte sein Schwert bereits seitlich auf den Dämon zu, während er die Tentakeln nicht aus den Augen ließ.
Sein Schwertstreich traf den Dämon, der daraufhin ein tiefes, irreales Grunzen von sich gab und urplötzlich mit seinen Tentakeln nach ihm schlug. Er duckte sich noch im letzten Moment unter dem blitzenden Hieb weg und zog das Schwert sogleich zu einem zweiten Hieb zu sich. Er stach direkt von vorn auf den Dämon ein. Mit einem Gurgeln und Glucksen sank der Körper des Wesens auf eine der Schwerkraft trotzende Weise langsam zu Boden um sich unten angekommen wie ein totes Weichtier auszubreiten.
Er blieb noch einige Sekunden geschockt stehen, während er nicht verstehen konnte, was gerade geschehen war. Waren die Stationen nicht von einem Schutzwall umgeben? Wie konnte ein Dämon so weit in die Gefilde der Templer eindringen? Er beschloss schnellstmöglich zu Meister Halifax zurückzukehren um ihm von seinem unfreiwilligen Kampf zu berichten.
Er ließ den Kadaver zurück und hastete zurück zu den Templerquartieren.
“Meister Halifax!”, rief der Junge, noch bevor er die große Stahltür richtig geöffnet hatte. Die zwei hinter der Tür stehenden Wachen warfen sich einen kurzen Blick zu und stellten sich kurzerhand in den Weg.
“Lasst mich durch! Ich muss Meister Halifax etwas wichtiges berichten! Ich wurde soeben angegriffen!”, schrie er, wobei seine Stimme von den klammen Gewölbewänden reflektiert und zu einem dumpfen Krächzen verzerrt wurde. Eine der Wachen packte unwirsch das Kinn des Jungen:
“Du bist Coris, nicht wahr?” Der Junge versuchte krampfhaft zu nicken, während sich der Schreck über die unwirtliche Behandlungen aus seinen Augen glänzte. Mit den Worten
“Geh, aber sei gefasst, dass Meister Halifax nicht sehr erfreut sein wird, wenn du ihn störst.” gab die Wache Coris einen kleinen Schubs, sodass er endgültig durch die Tür stolperte. Er drehte sich noch einmal hastig um und verbeugte sich kurz aber tief, dann rannte er los, Meister Halifax aufzusuchen.
Er klopfte laut und schnell an die eiserne Tür, welche mit heiligen Insignien verziert war. Er wollte gerade ein weiteres mal ausholen, als die Tür plötzlich aufschwang und der Meister in Robe vor ihm stand.
“Was ist den los, dass du hier so hereinpolterst? Ich hoffe du hast eine gute Erklärung dafür, mich bei meiner Meditation zu stören.”, entgegnete ihm der Meister mit einem deutlich gereizten Unterton. Coris verbeugte sich erneut und schon sprangen die Worte aus seinem Mund:
“Ich wurde soeben angegriffen. Von einem Geist! Er erschien aus dem nichts und ging mit Blitzen auf mich los, doch ich konnte ihn niederstrecken. Ich dachte, diese Information wäre es wert, ihre Ruhe zu stören.”
Halifax’ Augen verengten sich mit jedem weiteren Satz. Als der Junge kurz Luft holte unterbrach er ihn:
“Wo war das? Hier in den Quartieren?” “Nein, es war draußen im Gang, auf dem Weg in die Zivilquartiere!”, sagte Coris, dessen Stimme sich vor Aufregung überschlug. Daraufhin drehte sich der Meister um, ging schnellen Schrittes zu seinem prunkvollen Waffenhalter und nahm zwei reich mit Runen und Modifikationen bestückte Klingen aus der Halterung. Dann drehte er sich zu Coris um:
“Du gehst jetzt zur Wache und sagst, dass sie Alarm auslösen soll. Falls jemand zögert - tue es selbst.”, beschwor ihn der Meister eindringlich. Coris nickte kurz und rannte zurück zum Türposten der Wache.
“Ihr sollt sofort Alarm auslösen! Die Station wird angegriffen!”, schrie er den Wachen bereits aus einiger Entfernung entgegen. Sein Herz raste. Es ging alles zu schnell für seinen Verstand. Eine erdrückende Angst ließ ihn hastig atmen und seine Bewegungen Energie raubend und plump werden. Die Wachen schienen zunächst verdutzt und tauschten wieder kurz Blicke aus.
“Bei allem was heilig ist, los den verdammten Alarm aus, wir haben nicht mehr viel Zeit!” Obwohl er nicht wusste wie viel Zeit sie hatten, dachte er, so die Wachen besser motivieren zu können endlich mit dem nötigen Nachdruck Eile walten zu lassen.
Als kurze Zeit später der Alarm aufschrillte, rief eine Stimme hinter Coris seinen Namen. Er drehte sich um und erblickte einen bereits gerüsteten Schwertmeister, der ihm bedeutete ihm zu folgen. Coris nickte dem Templer zu und folgte ihm kurzerhand. Der Templer führte ihn schnellen Schrittes tief in die Gewölbe der Quartiere, bis zu einer großen Tür, die aufwendig verriegelt schien. Der Schwertmeister schlug zweimal kräftig gegen den Metallbeschlag, woraufhin die Tür nach innen aufschwang und Coris verborgen blieb, wer sie geöffnet hatte.
Vor ihm tat sich die Waffenkammer der Quartiere auf. Der Zutritt war normalerweise nur bereits ausgebildeten und vertrauenswürdigen Templern gewährt, doch im Moment herrschte hier ein reges Treiben. Es waren bereits einige Knappen hier. In der Mitte des Raumes stand Meister Halifax, bereits zu Teilen in seiner Rüstung, der den Neuankömmlingen bedeute, sich um ihn zu versammeln. Er räusperte sich kurz und begann dann laut und eindringlich zu reden:
“Dies ist ein wirklicher Angriff! Es sind bereits Berichte von den Außenposten bei uns eingegangen, wonach die Dämonen einen massiven Angriff auf unsere Station vorbereiten! Wir brauchen jetzt jeden, der auch nur halbwegs kämpfen kann. Als angehende Templer ist heute eure Chance euch das erste mal in einer realen Schlachtsituation zu beweisen. Die Schwertmeister hier werden euch ausrüsten. Ich weiß, dass die Ausrüstung für viele von euch noch sehr unvertraut ist, doch uns bleibt keine Wahl. Denkt an die, die ihr beschützen wollt! FÜR DIE LEBENDEN!” und im Chor schallte es von jedem zurück, der zugehört hatte:
“FÜR DIE LEBENDEN!”
Allmählich dämmerte Coris das Ausmaß der Situation. Er und alle anderen würden nun um ihr Leben kämpfen müssen, so wie es die alten Templer schon so lange taten. Plötzlich war es an der Zeit Übung und Lehre, Theorie und Vorüberlegung in die Tat umzusetzen. Er sah sich um und blickte in die Gesichter der anderen Knappen. Angst stand in ihnen geschrieben. Weit aufgerissene Augen und angespannte Körper sprachen von der Unsicherheit, der sich jeder von ihnen nun stellen musste.
Schon traten etliche behelmte Schwertmeister zu den Unvorbereiteten. Mit den Worten
“Wir werden euch einteilen, um euch dann in Gruppen auszurüsten. In diesen Gruppen werdet ihr bleiben, solange die Schlacht dauert.” begannen sie, die Knappen in Trupps zu je fünf Mann einzuteilen. Schließlich wurden sie jeweils einem Schwertmeister zugewiesen, der ihnen ein wenig abseits noch einige Instruktionen gab:
“Diese Klingen, die ihr nun bekommen werdet sind heilig. Sie bergen Kräfte, die über die Festigkeit des Materials und die Schärfe des Schliffes hinausgehen. Doch seid gewarnt! Je mächtiger die Klinge, desto stärker muss der Wille dessen sein, der sie führt. Wir werden diese Klingen jetzt speziell für jeden einzelnen von euch verbessern, sodass ihr sie trotz allem noch zu beherrschen vermögt.” Der Schwertmeister drehte sich um und nahm zwei Klingen von einem Schwerthalter, wog sie kurz in der Hand und drückte jeweils eine Coris und dem Knappen, der neben ihm stand in die Hand. So bekam jeder von ihnen eine solche kunstvoll geschmiedete Klinge, die sich merklich von denen unterschied, die sie vorher bei sich trugen.
“Wir werden euch nun heilige Relikte geben, mit welchen ihr eure Waffen verzieren könnt. Doch seid gewahr, dass diese Relikte auch dämonische Kräfte bergen. Überprüft sorgfältig, wie viele Relikte ihr an eure Waffen anbringt, denn sie können euren Willen bezwingen und dann ist die Klinge für euch nutzlos. Sie wird euch nicht gehorchen und euch vielleicht sogar töten! Also gebt acht!”, wies sie der Templer ein. Daraufhin deute er auf einen länglichen Tisch, auf dem allerlei kleine Relikte lagen. Die Knappen begannen nun, zunächst jeweils ein Relikt an ihrer Waffe zu befestigen und danach ihre Schwerter zu schwingen und in sich auf die ‘Stimme der Klinge’ zu hören, wozu sie während ihres Trainings so oft angehalten wurden.
Coris kannte die Stimme seiner vorherigen Klinge genau. Doch diese Stimme war anders. Es schien im, als würde die Klinge anderen Gesetzen zu gehorchen. Sie schien nicht mehr der Schwerkraft und Trägheit unterlegen. Sie war leicht, leichter als es von einer Klinge dieser Größe zu erwarten gewesen wäre und nur seine Hand schien sie auf ihrer natürlichen Bahn zu halten.
Jäh würde er aus seiner Konzentration gerissen:
“Geht nun und lasst euch Rüstung und Schilde geben. Wir sehen uns dann oben. Mein Name ist im übrigen Kelrun und ich bin ab jetzt euer Gruppenführer! Ihr habt ab nun meinen Befehlen folge zu leisten. Beeilt euch!”, sagte der Templer und eilte durch die Tür und aus der Waffenkammer.
Sie legten nun ihre Ganzkörperrüstungen, die ihnen bereits aus dem Training vertraut waren, an. Nach wenigen Minuten und etlichen geübten Handgriffen später stand Coris Trupp als erster bereit, aufzubrechen.