Zur selben Zeit als Elisabeth sich ihren Weg durch die verwüsteten Straßen Londons Richtung Fermoy Inn suchte, Fassungslos ob der allgegenwärtigen Zerstörung , wurde ein dunkler Raum, viele Meter unter den Straßen Londons, Zeuge einer Versammlung in deren Händen die Zukunft der Menschheit ruhte.
Die Lichter im Raum waren abgeschaltet, nur einige moderne Wandleuchten, deren Dimmung bis zum Minimum herunter gedreht war, warfen einen Hauch von kalt-blauem Neonlicht in die Schwärze. In ihrem Schein spiegelte sich die silberne Platte eines großen, runden Tisches. Um den Tisch verteilt saßen 16 schattenhafte Gestalten, groß und klobig, kantige Konturen die sich in der fast völligen Dunkelheit nur schwer ausmachen ließen. Ab und an spiegelte sich ein verirrter Lichtstrahl auf glattem Metall. Am seltsamsten waren jedoch die blauen und türkisgrünen Lichter die, schimmernden Bändern gleich, mit immer wiederkehrender Regelmäßigkeit über die Körper der Anwesenden huschten und für wenige Sekunden seltsame geometrische Muster in der Dunkelheit aufglühen ließen. Es herrschte völlige Stille. Die Anwesenden hatten ihre Stühle auf die westliche Wand des Raumes ausgerichtet und jeder versuchte so gut er konnte das große Rechteck trüben Lichts ins Sichtfeld zu fassen, dass von einem Projektor unter der Deck die Wand geworfen wurde.
Eine der Personen erhob sich von ihrem Stuhl und trat in das Licht des Projektors. Der kleine Mann war wohl Mitte Fünfzig,, hager und in einen dunklen Anzug nebst Krawatte gekleidet. Verglichen mit den übrigen Anwesenden war seine Silhouette geradezu zierlich. Er räusperte sich um auf sich aufmerksam zu machen, was angesichts der Grabesstille die im Raum herrschte ungewöhnlich laut klang. Dann erhob der die Stimme. “Ladys und Gentleman, die Lage ist ernst. Die Tore der Hölle wurden aufgestoßen.” Nach einer rhetorischen Pause um das Gewicht seiner Worte auf die Zuhörer einwirken zu lassen fuhr der Kleine Mann mit professionell, sachlichem Tonfall fort:
“Seit über einhundert Jahren wussten wir Templer das dieser Tag einmal kommen würde. Jetzt ist es soweit. Hier und heute haben sich die Tore der Unterwelt geöffnet. Unsere Welt steht einer Invasion gegenüber, einer Invasion wie sie sich kaum ein Mensch jemals vorzustellen wagte. Wir haben uns lange auf diesen Tag vorbereitet. Gründlich vorbereitet. Dennoch ist die Situation äußerst kritisch. Einige der jüngsten Vorfälle haben uns eines Großteils unseres Handlungsspielraums beraubt, und es sind weitere schreckliche Ereignisse eingetreten mit denen keiner von uns rechnen konnte. Doch sehen sie selbst.” Der ältere Herr trat beiseite und machte den Blick auf die Wand hinter sich frei. Ein Druck auf die kleine Fernbedienung in seiner Hand ließ das Bild eines Parks auf der weißen Fläche erscheinen. “Diese Bilder stammen von einer Überwachungskamera auf dem Parliament Hill, wie sie im Zuge des Kampfs gegen den Terrorismus überall in der Stadt angebracht wurden. Passen sie auf.” Ein Druck auf die Play Taste ließ den Film ablaufen.
Ein verregneter Park. Einige Passanten mit Schirmen. Eine Frau mit Kinderwagen. Auf einem Teich in der Mitte des Bildes Schwammen Enten. Plötzlich kam Bewegung in das Bild. Ein heftiger Wind kam auf. Blätter wirbelten umher, Äste wiegten sich, die Tiere begannen unruhig zu werden. Auch ohne Ton erkannte man, dass der Wind immer stärker wurde. Die Enten auf dem Teich breiteten die Flügel aus und ergriffen die Flucht. Die Bäume begannen heftig zu schwanken. Passanten mussten ihre Regenschirme mit aller Macht festhalten um zu verhindern, dass die zornigen Böen ihnen diese entrissen. Alte Zeitungen und weggeworfene Pappbecher fegten über den Boden und erhoben sich in die Luft. Zweige und Äste begannen zu brechen, die Bäume schwankten immer stärker. Die Passanten begannen zu laufen, einige ließen ihre Schirme los, und der Wind riss sie mit sich fort. Der Sturm aus Blättern. Ästen und Müll schien zielstrebig auf einen Punkt auf der Wiese in der Nähe des Teiches zuzustreben, wo sich der wirbelnde Unrat zu einem kleinen Tornado vereinte. Mittlerweile schien es so, als bliese der Wind mit der Stärke eines Sturms. Der Kleine Tornado schwoll an, wurde größer. Allerorten stürzten Fahrräder um, Mülltonnen wurden umgeworfen und die Bäume bogen sich ächzend unter dem zum Orkan angeschwollenen Sturm. Das Wasser des Teiches begann zu brodeln und die Wiese unter dem tosenden Tornado verfärbte sich schwarz. Der tanzende Sturm wirbelnden Treibguts verlor seine Form und ballte sich langsam zu einer Kugel zusammen die, frei in der Luft schwebend , vom tosenden Wind immer neue Nahrung erhielt. Der Teich schien mittlerweile zu kochen, der schwarze Fleck auf der Wiese wurde größer und größer und breitete sich in alle Richtungen aus. Dann schien sich die Kugel mit einem Mal zu verdichten, sie zog sich zusammen bis nur noch ein winziger Punkt in der Luft zu sehen war, der Orkan erstarb schlagartig. Für den Bruchteil einer Sekunde lag der Park unberührt und friedlich da wie zuvor, dann erfüllte ein greller Blitz den ganzen Bildschirm. Blätter wirbelten brennend durch das Bild, ein skelettierter Regenschirm streifte die Kamera, dann kam etwas großes durch die Luft geflogen. Eine verkohlte Parkbank segelte auf die Kamera zu, wurde größer, man sah noch deutlich die Glut auf den Sprossen, dann brach die Übertragung ab. Graues rauschen erfüllte das Bild.
Ein erneuter Druck auf die Fernbedienung ließ die beendete Aufnahme der Kamera verschwinden und eine Karte der Londoner Innenstadt erschien auf der Wand. Der Mann hob wieder zu sprechen an. “Heute um 14:27 nachmittags öffnete sich im Parliament Hill Park im Nordwesten von London ein Dimensionsportal in die Sphäre der Hölle.” Ein Roter Punkt erschien auf der Karte wo sich der Park befand, das Bild zoomte näher. “Die Öffnung erfolgte in einer über 200°C heißen Explosion aus purer Energie, die in einem Radius von bis zu 100 Metern annähernd alles verbrannte und keinerlei Leben zurückließ.” Um den Roten Punkt auf der Karte bildete sich ein schmaler orangeroter Ring. “Bis zu diesem Punkt entsprechen die Ereignisse ziemlich genau dem was wir erwartet haben.” ,die Stimme des Mannes klang weiterhin nüchtern und sachlich.
“Bei der Öffnung des Portals kam es aber zu weiteren Zwischenfällen, die keiner von uns vorausgesehen hat.”
Eine Reihe von Bildern tauchten auf der Wand auf während der kleine Mann weiter sprach.
Bilder von den Straßen Londons. Kollidierte Autos, in gelben Nebel gehüllte Straßen, zusammengekrümmte und ziellos umhertaumelnde Menschen. Tote.
“Diese Bilder stammen von verschiedenen Überwachungskameras im weiteren Umkreis des
Parliament Hill. Sie zeigen die derzeitige Situation auf den Straßen Londons. Der Grund für diese Verwüstung wurde uns folgendermaßen erklärt: Die Atmosphäre der Hölle unterscheidet sich von der unseren in vielerlei Hinsicht. Dichte, Druck, Luftzusammensetzung, Temperatur und einiges mehr. In kurzen Worten gesagt ist sie für Mensch und Tier giftig. Ihr längere Zeit, oder in konzentriertem Maße ausgesetzt zu sein bedeutet den sicheren Tod. “ Die erklärende Stimme des Mannes verstummte einen Moment als das Bild einer jungen Frau über die Wand huschte, die einen leblosen kleine Jungen in den Armen trug. Er räusperte sich und fuhr sichtlich betroffen fort.
“ Nun, äh, ja. Als sich also dieses Portal, ich werde es im weiteren das “Hellgate” nennen, öffnete, fand die unter hohem Druck stehende Atmosphäre der Hölle ein Ventil und strömte, oder besser gesagt schoss, in die unsere hinein. Bei diesen Vorgang baute sich in wenigen Millisekunden ein immenser Druck auf bevor die einströmenden Gasmassen den Widerstand unserer Atmosphäre überwanden. Dies hatte mehrere Auswirkungen.”
Die vergrößerte Karte von London erschien wieder auf der Wand, der rote Punkt auf dem Parliament Hill und sein schmaler orangefarbener Ring bildeten das Zentrum.
“Es kam zu einer Druckwelle, die sich vom Hellgate aus ca. 7 Kilometer weit ringförmig ausbreitete und etwa einem Windstoß der Stärke 8, also stürmischem Wind, entsprach.
Ein schwarzer Ring zog in großräumigem Abstand einen Kreis um den roten Punkt.
“Ein solcher Luftstoß hat normalerweise, von einigen gebrochenen Ästen und der einen oder anderen abgedeckten Dachschindel abgesehen, keine Schäden zur Folge, in diesem Fall kam er allerdings völlig unerwartet und er brachte ein weiteres Problem mit sich.”
Die Karte verschwand, ein Bild von einer in gelben Nebel gehüllten Straße auf der undeutlich einige menschliche Schemen zu erkenne waren tauchte auf der Wand auf.
“Die Druckwelle führte große Mengen der eben erwähnten, für uns giftigen, Partikel der höllischen Atmosphäre mit sich. Diese wurden auf den Straßen als gelber Nebel sichtbar, die Farbe ist übrigens auf den hohen Anteil an Schwefelstaub zurück zu führen. Obwohl diese Bestandteile für gewöhnlich nur tödlich wirken wenn man ihnen auf Dauer ausgesetzt ist, war die Wirkung in diesem Fall aufgrund ihrer außergewöhnlich hohen Konzentration und Dichte verheerend.”
Die Karte erschien wieder auf der wand und ein breiter Streifen rund um das Zentrum färbte sich gelb.
“ In 2,5 Kilometern Umkreis um das Hellgate dürfte praktisch jeder Mensch der sich im Freien aufhielt oder auch nur ein Fenster einen Spalt weit geöffnet hatte binnen kürzester Zeit erstickt, oder tödlich vergiftet worden sein.”
Zum ersten mal erklangen wispernde Stimmen zwischen den klobigen Schatten an dem Tisch. Der ältere Herr, der den Vortrag hielt, räusperte sich und sofort kehrte wieder Stille ein. Dann begann er fortzufahren.
“Diese Zone bildet nur den Kern der Zerstörung. Die giftige Wolke breitete sich noch weiter aus, wobei sie zunehmend an Kraft verlor. Bereits in diesen Gegenden…”
Der Rote Punkt eines Laserpointers zog einen Kreis dicht an der gelb markierten Zone entlang.
“… dürften jene die nur ein Fenster gekippt oder eine Belüftungsanlage eingeschaltet hatten recht gute Überlebenschancen gehabt haben. Auch wer auf offener Straße unterwegs war starb nicht sofort.”
Das von Schatten umlagerte Gesicht des Mannes erstarrte zu einer Maske von kaltem Stein.
“Die Menschen in diesen Gebieten starben langsam.”
Für einen Moment herrschte grimmige Stille. Ein weiterer Ring in grün, ungefähr doppelt so breit wie der Erste legte sich um den Mittelpunkt der Karte.
“Diese Zone zeigt das Gebiet indem sich die Wolke zu nach und nach in unserer Atmosphäre verlor. Mit wachsender Entfernung gab es auch auf den Straßen immer weniger Opfer. Bereits in den Randgebieten des markierten Areals dürfte die Wirkung nur noch auf alte Menschen und Kleinkinder tödlich gewesen sein, noch weiter entfernt waren die sichtbaren Komponenten der Wolke dann gänzlich aufgelöst und die Menschen hatten höchstens mit einem kurzen Hustenanfall zu kämpfen.”
Der Mann neben der Wandprojektion machte eine Pause. Getuschel erfüllte kurz den Raum, verstummte aber rasch. Als wieder Ruhe herrschte hob der ältere Herr erneut an zu sprechen.
“So schrecklich das klingen mag, aber die Menschen, die durch die Gaswolke starben sind nicht die einzigen Opfer. Aufgrund der Druckwelle und der vorübergehenden Sichtbehinderung durch die Wolke, kam es auf fast allen Straßen in einem Gebiet bis zu 5 Kilometer um das Hellgate zu zahllosen Auffahrunfällen und Karambolagen, mit einer Vielzahl von Verletzten und auch einigen Todesopfern.”
Ein Seufzer entrang sich seiner Brust. “Und als ob all dies noch nicht genug wäre haben wir noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen. Beim Aufeinanderprall der heißen Atmosphäre der Hölle und unserer weitaus kälteren Luftmassen kam es zu einer statischen Aufladung, ähnlich der Vorgänge bei einem Gewitter. Dieser elektromagnetische Impuls breitete sich zusammen mit der Druckwelle aus, ließ einen Großteil der Mobilfunknetze zusammen brechen und störte auch einige reguläre Telefon, Internet und Fernsehverbindungen sowie die Stromnetze einiger Häuserblocks.”
Der hagere, kleine Sprecher verstummte. Aus den kantigen Schatten des Publikums erklang irgendwo ein resigniertes Stöhnen.
“London droht im Chaos zu versinken. Die Zahl der Opfer beträgt Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Die Regierung hat den Katastrophenalarm ausgelöst und über den Großraum London den Ausnahmezustand verhängt. Polizei und Rettungskräfte sind Fieberhaft bemüht den betroffenen Menschen Hilfe zu leisten und Streitkräfte der British Army befinden sich auf dem Weg in die Stadt.”
Der ältere kleine Herr beendete sein Resumeé und es verstrichen mehrere Sekunden bevor er erneut zu sprechen begann.
“Das alles, Ladys und Gentlemen, sind jedoch nur die unvorhergesehenen Randerscheinungen die mit der Öffnung des Hellgates einhergehen. Die wahre Katastrophe, die sehr wohl den Untergang der gesamten Menschheit bedeuten könnte, steht uns noch bevor. Die Invasion der Dämonischen Horden aus den Tiefen der Hölle.”
Nach einem Moment der Stille fuhr der kleine Mann fort:
“Obwohl wir dieses Ereignis vorausgesehen , und uns nach besten Kräften darauf vorbereitet haben, trifft uns diese Invasion zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Unsere Bemühungen innerhalb der British Army sind bei weitem nicht so fortgeschritten wie es in einer solchen Situation wünschenswert wäre und von den größeren Rettungsdiensten haben wir nur innerhalb des Roten Kreuzes einen gewissen Einfluss. Darüber hinaus dürfte ihnen allen zweifellos bekannt sein, dass Bruder O`Bannon vor kurzem unter dem Verdacht der Spionage von seinem Posten innerhalb des Londoner Polizeipräsidiums suspendiert wurde. Was den meisten von ihnen hingegen neu sein dürfte ist die Tatsache, dass auch Bruder Bartholomäus, der eine Führungsposition innerhalb der Londoner Feuerwehr innehatte, sein Amt nicht länger bekleidet, da er in der Nacht zum Sonntag auf rätselhafte Weise verschwand und uns bis dato nichts über seinen Verbleib bekannt ist.”
Ein sorgenvolles Raunen ging durch die Zuhörer. Diese Nachrichten waren wahrlich alles andere als beruhigend. Der kleine Mann fuhr unterdessen unbeirrt fort zu sprechen.
“Sie sehen also Ladys und Gentlemen, dass uns in vielen Bereichen denen in der derzeitigen Situation eine Schlüsselrolle zukommt unerwarteter Weise die Hände gebunden sind. Die Londoner Polizei und Feuerwehr entziehen sich gänzlich unserer Kontrolle und auch auf die Rettungsdienste haben wir nur begrenzten Einfluss. Die Lage ist mehr als nur ernst, doch es gibt auch gute Nachrichten.”
Das Raunen verstummte. Jedermann lauschte wieder auf die Worte des Sprechers.
“Dank der Hilfe von Lady Natasha und der Cabbale wissen wir über den derzeitigen Zustand des Hellgates und den Stand der Invasion recht genau bescheid. ”
Im Saal ertönte ärgerliches Murren, doch der hagere Mann schien es nicht gehört zu haben. Seine nächsten Worte jedoch ließen erahnen, dass er mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte..
“So zweifelhaft die Aktivitäten und Absichten der Cabbale auch sein mögen, und so sehr einige von uns ihr Tun auch missbilligen, sie sind Menschen, und auch sie haben bei einer Invasion der Dämonen nichts zu gewinnen. Im Moment sitzen wir alle im selben Boot.”
Das missmutige Grummeln war immer noch nicht verstummt, doch der Sprecher ließ sich davon nicht in seinem Redefluss aufhalten.
“Es wird sie vielleicht verwundern dies zu hören, doch bereits weniger als Fünf Minuten nach der Öffnung des Hellgates erreichte unseren Senneschall ein Anruf von Lady Natasha persönlich, in welchem sie ein Bündnis vorschlug. Sie bot uns die besonderen Fähigkeiten ihrer Leute bei der Analyse und Bekämpfung der Invasion so wie bei der Evakuierung der Bürger Londons an. Im Gegenzug verlangte sie nichts weiter als einen sicheren Platz für ihre Leute in unseren Schutzeinrichtungen und die Teilnahme an zukünftigen Sitzungen des Ordenskomitees die die Allgemeinheit betreffen. Bis auf weiteres wären alle Angehörige der Cabbale, einschließlich ihrer selbst, den Marschallen und Offizieren des Ordens unterstellt und hätten deren Anweisungen nach militärischem Befehlsprinzip Folge zu leisten. Unser Senneschall nahm dieses Angebot freudig an.”
Das aufgeregte Murmeln, dass sich langsam wieder zu beruhigen begonnen hatte schwoll erneut an, diesmal jedoch gebot der Sprecher seinem Publikum mit einer unwirschen Geste Einhalt. Sofort verstummten alle Gespräche.
“Es ist völlig Bedeutungslos was sie persönlich von diesem Bündnis halten. Tatsache ist, dass sich die Cabbalisten bereits während der vergangenen Dreiviertelstunde als unschätzbar wertvolle Verbündete erwiesen. Dank ihrer Hilfe wissen wir sehr viel besser über das Hellgate und die Anatomie der bevorstehenden Invasion bescheid als wir es uns jemals zu erträumen gehofft hatten.”
Der hagere kleine Mann verschränkte die Arme hinter dem Rücken und trat in den Lichtstrahl des Projektors. Sein Gesicht war zerfurcht, das Haar Gelichtet und er trug einen, bereits deutlich ergrauten, Bart an Oberlippe und Kinn.
“Das Hellgate befindet sich derzeit in einem Konsolidierungszustand der eine Passage für größere Truppenverbände unmöglich macht. Mit anderen Worten es muss sich erst vollständig aufbauen bevor eine groß angelegte Invasion beginnen kann. Bis dato sind die feindlichen Aktivitäten in London daher nur begrenzt. Die Dämonen die bisher das Tor durchquerten sind nicht besonders zahlreich, und es handelt sich bei ihnen um niedere Kreaturen deren Art uns von früheren Begegnungen größtenteils bekannt ist. Eine Vorhut könnte man sagen, deren Aufgabe wohl lediglich darin bestehet möglichst viel Verwirrung und Panik zu stiften. Die Hauptstreitmacht des Feindes sammelt sich in dieser Stunde auf der anderen Seite des Tores.”
Der kleine Sprecher machte eine kurze Pause und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
“ In frühestens 45 spätestens aber 90 Minuten wird das Tor die nötige Stabilität erreicht haben um die Invasion beginnen zu lassen. Bis dahin müssen unsere Bemühungen soweit als nur möglich abgeschlossen sein. Wir haben mit einem Angriff zu rechnen, der in seiner Brutalität und Stärke alles bisher bekannte übertreffen wird, es gilt also keine Zeit zu verlieren.”
Der Mann verschränkte wieder die Arme hinter dem Rücken.
“Was also ist jetzt zu tun? Nun, unsere Möglichkeiten sind begrenzt, aber wir sind nicht völlig unvorbereitet. Die 139te Infanteriebrigade unter Oberst Mac Cormick ist auf dem Weg nach London um bei der Eindämmung des derzeitigen Chaos zu helfen. In London angekommen wird der Oberst seiner Position enthoben und Bruder Markus Tiberius übernimmt das Kommando. Ebenso hat sich das 212te Luftlanderegiment unter Schwester Alice Demarque ohne entsprechenden Befehl auf den Weg nach London begeben. Hier eingetroffen werden Die Truppen eine Verteidigungslinie zwischen Wembley und Illford bilden. Ob diese Aktion rechtzeitig gelingt bleibt fraglich, aber wir müssen es versuchen. Sie und ihre Einheiten, Ladys und Gentlemen, werden nach dem Ende dieser Besprechung sofort damit beginnen so viele Menschen wie möglich in dem von uns
präparierten U-Bahnsystem in Sicherheit zu bringen. Schnappen sie sich jeden den sie auf der Straße finden können und schleppen sie sie in die Stationen. Frauen und Kinder zuerst. Zu ihrer Unterstützung wurde jeder Kompanie ein Mitglied der Cabbale zugeteilt, dass sie mit seinen Fähigkeiten unterstützen wird. Jegliche selbstständige aufnahme von Kampfhandlungen mit dem Feind ist ihnen untersagt. Sollte ein Gebiet verloren sein, rücken sie weiter zum nächsten vor. Verschwenden sie keine Zeit damit die Leute zu überreden oder Häuser zu durchsuchen. Es ist uns leider unmögliche alle Menschen zu retten. Schicken sie sie zu den Stationen, eskortieren sie größere Gruppen und vor allem beeilen sie sich. Ist kein Platz mehr in den Stationen oder sind ihre Einsatzgebiete an den Feind gefallen begeben sie sich zur Westminster Church und warten dort weitere Befehle ab. Sollten sie keine erhalten bringen sie sich sobald es die Lage erfordert in Sicherheit. Ich selbst werde all meinen Einfluss in der Londoner Stadtverwaltung geltend machen um Rettungskräfte und Medizinisches Personal in den Stationen zu versammeln. Noch Fragen?”
Der alte Herr beendete seinen Vortrag und musterte die stummen Schattenkolosse entlang der Tafel.
“Sir, sollten wir nicht die Regierung informieren und zur Zusammenarbeit bewegen?” meldete sich eine Stimme.
“Das habe ich bereits veranlasst. Der Earl of Gibbons und Lady Natasha persönlich sollten in diesem Moment mit dem Premierminister sprechen.” Schweigen. Dann eine weitere Stimme.
“Wie viele Dämonen sind denn bereits in der Stadt, und wie viele werden noch kommen?”
“Das wissen wir nicht.”
“Hat sich nur in London ein Hellgate geöffnet oder auch anderswo?”
“Wir wissen es nicht.”
“Was hat es mit der Wolke am Himmel auf sich?”
“Wir wissen es nicht.”
“Haben wir überhaupt so etwas wie eine Chance?”
Der hagere, kleine Mann sprach langsam. Seine Stimme klang ernst und äußerst besorgt, als er zögerlich antwortete:
“Auch das… wissen wir nicht.”